MS Amera – Interview mit Hotelmanager Andreas Vespermann

Küchencrew MS Amera / Foto: madle-fotowelt

Mit Andreas Vespermann hinter den Kulissen eines Kreuzfahrtschiffes

Kommen sie mit uns hinter die Kulissen eines Kreuzfahrtschiffes. Hotelmanager Andreas Vespermann nahm sich die Zeit und berichtete uns aus seinem Arbeitsalltag.

Unser Hotelmanager an Bord der MS Amera

Hotelmanager Andreas Vespermann ist seit mehr als 21 Jahren beruflich auf den Meeren beheimatet. Nach seiner Zeit bei der Reederei Peter Deilmann, wechselte er zu sea chefs. Die Unternehmensgruppe, mit Sitz in der Schweiz, Deutschland und Zypern ist der weltweit führende Dienstleister im Bereich Hotel Catering und Crewmanagement in der Kreuzfahrtbranche.

Andreas Vespermann begann für Phoenix Reisen zunächst als F&B Manager (Gatronomischer Leiter) und ist seit mehr als 5 Jahren als Hoteldirektor in der Phoenix Flotte tätig.

Andreas Vespermann / Foto: madle-fotowelt

Interview mit Andreas Vespermann während einer speziellen Reise

Das folgende Interview mit Andreas Verpermann führten wir am 12. März 2020 an Bord der MS Amera. Die Corona Pandemie war schon ein führendes Thema in den Medien. Da die MS Amera zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht direkt betroffen war, wird das Thema in unserem Interview nicht behandelt. Wir verlinken am Ende des Interviews unsere Artikel zum Thema „Corona und Kreuzfahrt“, welche wir veröffentlicht haben und zu weiteren Artikeln im Zusammenhang mit der MS Amera.

Das Interview mit Andreas Vespermann

CruiseStart: In welche Hauptabteilungen gliedert sich ihr Aufgabengebiet?

Andreas Vespermann: Der Hotelbereich ist untergliedert in die Bereiche Gastronomie, Küche, Bar und Restaurant. Hinzu kommt die Rezeption, die Administration und die Proviantabteilung. Weiterhin gehört der Spa-Bereich und natürlich das Housekeeping dazu. Zum Letzten zählt z.B. die Wäscherei, sowie weitere Service Bereiche.

CruiseStart: Wie viele Crew-Mitglieder zählen zu den Abteilungen?

Andreas Vespermann: Insgesamt habe ich 300 Mitarbeiter im Hotelbereich, unter anderem in der Proviantabteilung 10, dem Housekeeping 70, der Küche 77, den Restaurants 70 und den Bars 40 MitarbeiterInnen.

CruiseStart: Welche Abteilungen, die nicht in der Öffentlichkeit stehen, kann man besonders loben?

Andreas Vespermann: Eigentlich muss ich alle hinter den Kulissen loben, die man nicht sieht. Sie machen ihre Arbeit, haben aber niemals Gastkontakt. Sie freuen sich immer ganz besonders, wenn das Feedback und die Begeisterung der Gäste auf sie zukommt. So mache auch ich jeden Tag meine Runden, kenne ihre Namen und Grüße sie. Ob es nun die Wäscherei, die Proviantabteilung oder die Spüler sind – alle sind wichtig. Das denkt man oft nicht, aber wenn sie keinen Tellerwäscher haben, funktioniert alles nicht. Sie halten der Küche den Rücken frei.

Wir haben das Instrument der Crew-Show. Dort können viele, die hinter den Kulissen arbeiten, den Gästen etwas darbieten. Das ist immer eine sehr schöne Sache und die Reaktion des Publikums ist für sie dann stets eine hohe Anerkennung.

Crewshow MS Amera / Foto: madle-fotowelt

CruiseStart: Es gibt sicher den Unterschied zwischen den Damen und Herren im Housekeeping und an den Bars und dem Rest der Crew bezüglich des Trinkgeldes

Andreas Vespermann: Genau. Die Mitglieder, die am Gast arbeiten, bekommen das ein oder andere Trinkgeld direkt von den Passagieren. Das haben wir über die Gehaltsstufen ein wenig berücksichtigt. Es gibt laut Gewerkschaft Berufsgruppen, die Trinkgeldempfänger sind und andere nicht. So erhalten die, die an Deck oder an der Maschine arbeiten ganz andere Gehälter, als die die im Service arbeiten.

Und natürlich haben wir das auch bei unserem Trinkgeldsystem berücksichtigt. Wir geben am Ende der Reise eine Trinkgeldempfehlung und so bekommen die ‚stillen Geister‘ hinter den Kulissen auch ihren Anteil ab. Und das ist glaube ich eigentlich ganz gut geregelt.

CruiseStart: Wo wird die Schiffsversorgung organisiert?

Andreas Vespermann: Die Schiffsversorgung wird in unserem Hauptoffice in Hamburg organisiert. Das ist unsere Haupteinkaufsabteilung. Hier an Bord machen wir praktisch die Inventuren, Bestellungen und Bestände mit einem elektronischen Warenwirtschaftsprogramm, welches auch immer mit Hamburg verbunden ist. Die Mengen werden hochgerechnet und unsere Einkaufsabteilung prüft dann, in welchen Häfen das Proviantieren möglich ist. Es bestehen viele Herausforderungen, was Zoll- und Einfuhrbestimmungen betrifft, ein hochkomplexes Thema, welches den Einkauf betrifft. Zusätzlich haben wir noch das Instrument des lokalen Einkaufs. Es gibt weltweit viele Schiffshändler, die auch mit unserer Firma „sea chefs“ zusammenarbeiten. Wir haben viele Schiffe und so läuft es mittlerweile eigentlich sehr einfach.

Vorräte laden MS Amera / Foto: madle-fotowelt

CruiseStart: Da macht sich der Vorteil der globalen Strukturen bemerkbar?

Andreas Vespermann: Ja, das ist ein Vorteil. Wenn ich an die Strukturen von vor 20 Jahren denke, als wir noch keine Computer oder Warenwirtschaftssysteme hatten und mit ‚Excellisten‘ gearbeitet haben, Faxe geschickt wurden – heute unvorstellbar. Das war natürlich alles abenteuerlich, aber auch heute müssen wir zertifizierte Schiffshändler nehmen. Wir können nicht so einfach auf den Markt zum Einkaufen gehen. Das hat versicherungstechnische, sicherheits, aber auch hygienische Gründe. Sie können auch nicht auf dem lokalen Markt mal 800 kg Ananas kaufen oder eine Tonne Orangen. Die Häfen, die wir anfahren, sind oft große Städte. Hier bekommen wir die benötigten Mengen von den Schiffshändlern geliefert.

CruiseStart: Im Bereich Flusskreuzfahrt haben wir gehört, dass der lokale Einkauf auch hier schwierig ist, da die Mengen in der Qualität häufig nicht verfügbar sind.

Andreas Vespermann: Der lokale Einkauf auf dem Fluss geht auch über zertifizierte Schiffshändler, die eine Genehmigung haben an das Schiff zu transportieren. Das wiederum hat Sicherheitsgründe. Früher kam der LKW an die Pier und hat die Ware entladen. Heute muss die Ware kontrolliert werden, ob da nicht z.B. eine Bombe drin ist. Das hat sich seit 2001 doch sehr verändert. Für unsere benötigten Mengen ist es überflüssig lokal auf den Markt zu gehen und dort etwas kaufen zu wollen. Man kann mal ein paar Kräuter besorgen, sich Ideen holen oder ein bisschen schauen, aber das machen wir mehr fürs TV-Team.

Nur als Beispiel: Sie kaufen Fisch auf einem lokalen Markt und damit ist irgendwas nicht in Ordnung. Im Anschluss werden die Gäste krank. Ich käme ins Gefängnis, wenn ich selbst entschieden hätte über dritte Kanäle einzukaufen.

Fischmarkt in Brasilien / Foto: madle-fotowelt

CruiseStart: Dann wird es im TV falsch dargestellt, dass der Koch auf dem Markt die Qualität z.B. der Fische prüft?

Andreas Vespermann: Der Schiffshändler hat Kontakt zu den Fischern oder Händlern. Wir fahren dann zu diesen und schauen uns die Ware vor Ort an, kaufen dann ggf. über den Händler ein. Dieses hat zudem mit dem Zahlungsverkehr zu tun. Durch die weltweiten Geldwäschegesetzte können wir hierfür kein Bargeld in der Menge mit uns führen. Das läuft alles per Überweisung. Es gibt somit mehrere Punkte zu berücksichtigen.

CruiseStart: Haben die Händler vor Ort das Vertrauen, dass ihr Geld ankommt?

Andreas Vespermann: Wir sind große Kunden, machen viel Umsatz und da haben wir über die Jahre unsere Erfahrungen gemacht im Positiven, wie auch im Negativen.

CruiseStart: Inwiefern muss bzw. kann auf den erfahrenen Einkauf Einfluss genommen werden? Die Gäste wünschen sich gleichbleibende Qualität mit heimischem Einfluss.

Andreas Vespermann: Extrem – es hat viele Faktoren. Zum einen ist die Anlieferung der Container während einer Weltreise immer aufregend. Z.B.: Muss ich aktuell die Container für Bridge Town umleiten. Die werden jetzt in die Dominikanische Republik geliefert. Eigentlich fahren wir dort aber gar nicht hin, also werden wir die Reise schon mal so ändern müssen, dass wir dort hinfahren.

Man darf nicht vergessen – wir sind gerade in Brasilien und haben deutsche Gäste an Bord. Diese erwarten eine gute Qualität. Wenn ich jetzt Marmelade, Senf oder anderes lokal einkaufe, bekomme ich zwar die Ware, aber nicht in der Qualität, wie es der Deutsche gern hätte.

CruiseStart: Die Diskussion besteht auch unter den Gästen. Die einen wünschen sich mehr regionale Gerichte, die anderen fanden gestern die Currywurst absolut lecker.

Andreas Vespermann: Da muss man immer einen guten Spagat machen. Es kommt eben darauf an, wie lang die Reise ist und wo es hin geht. Es gibt lokale Küchen – da ist jeder froh, wenn wir sie nicht kochen. Im Prinzip machen wir schon Gerichte, die landestypisch sind, wandeln sie jedoch leicht ab, damit es für die Europäer ok ist. Das bieten wir gern an und haben das Know how es zu machen.

deftige Kost beim internationalen Abend / Foto: madle-fotowelt

CruiseStart: Bezogen auf die Terminbindung von Bestellung bis zur Lieferung – wie weit im Voraus werden die Menüplane erarbeitet?

Andreas Vespermann: Es gibt einmal im Jahr eine Menü Master Planung. D.h. man setzt sich zusammen und definiert alle Gerichte. Unser Menu Master Plan ist für 21 Tage ausgelegt und die Produkte werden in der Menge analysiert. Nehmen wir als Beispiel Schweinefilet. Daraus kann man verschiedene Gerichte zaubern. Es wird kalkuliert und hochgerechnet. Das macht man, wie gesagt, einmal im Jahr, sodass man die Produkte vorrätig bestellen kann. Auch die Schiffslieferanten müssen bei den großen Mengen alles vorrätig haben. Dann wird die Bestellung abgerufen. Das kann 2-3 Monate im Voraus sein. Das Schiff schickt die Bestellung z.B. im Oktober. Die Ware wird zusammengestellt und im November in Hamburg im Container verpackt und verschickt. Ab dort benötigt der Container, mit genügend Zeitreserve, noch einmal 6-8 Wochen Lieferzeit bis zum jeweiligen Hafen. Erst dann kann die Ware bereitgestellt werden.

Eine große Herausforderung sind auch die Temperaturen und Mindesthaltbarkeitsdaten. Deshalb wird viel Ware gefroren angeliefert. Beim Käse beispielsweise wird die Mindesthaltbarkeit verlängert. Man muss zusätzlich bedenken – in HH kann es -10 Grad haben und am Zielort in der Südsee liegen wir bei über 30 Grad.

Es gibt aber auch Ausnahmen. In der Südsee kann man nur in Tahiti laden. Diese Ware kommt dann meist aus Neuseeland, nicht aus Hamburg.

CruiseStart: Das wird möglich durch die Globalisierung bei sea chefs?

Andreas Vespermann: Ja, zum Glück. Sonst könnte man globale Reisen nicht anbieten. Die letzte Lademöglichkeit wäre Neuseeland und danach erst wieder in Peru. Die Fahrzeit ist mit 3-4 Wochen für Frischware einfach zu lang. Hinzu kommt, dass gerade die Südseeinseln viele Restriktionen auf Agrarprodukte haben. In Tahiti kostet ein Kopfsalat dann schon mal 30$

CruiseStart: Wie groß ist die Kapazität an Bord und wie lang ist die Strecke, die man fahren kann?

Andreas Vespermann: Um es ganz grob zu sagen. Wir haben ca. 250 Tonnen Lagermöglichkeit. Das bedeutet, wir haben bei einem komplett vollen Schiff Lebensmittel für 3 Wochen, mit Reserve. Frischware allerdings hält nur 12 bis 15 Tage, je nach Reifegrad. Da muss man warenwirtschaftlich sehr gut arbeiten. Es braucht auch viel Pflege. Jeden Tag wird kontrolliert, Salat aussortiert und natürlich nach dem Reifegrad geschaut.

CruiseStart: Das kennen wir auch aus dem Alten Land. Dort gibt es spezielle CO² -Lagerräume für die Äpfel.

Andreas Vespermann: Ja genau. Das Kartoffelkühlhaus ist z.B. extra, weil Kartoffeln und Zwiebeln zusammen gelagert, keimen. D.h. es entsteht Kohlendioxid und so kann anderes Gemüse und Obst schneller verderben.

CruiseStart: Auf den Kreuzfahrtschiffen im ‚Liniendienst‘, wie wir sie nennen, also Schiffe, welche ständig ihre 7 oder 14 Tage Runden fahren, gibt es sicher wiederkehrende Menüfolgen. Wie verhält es sich auf langen Touren, wie dieser, und den Kurzreisen?

Andreas Vespermann: Man darf das gar nicht vergleichen. Die „Linien“-Schiffe haben es viel einfacher. Sie fahren kurz in ihrem Gebiet und haben hierdurch bedingt eine ganz andere Fluktuation unter den Gästen, was natürlich direkt den Menümasterplan betrifft. Wir planen hier für drei Wochen. Wenn die drei Wochen um sind, ist eigentlich genug Zeit verstrichen, sodass der Menüplan nie langweilig wird. Wichtig ist, dass das eigentliche Produkt, welches an Bord ist, im Speiseplan variiert. Das ist die ganze Herausforderung. Es obliegt dem Küchenchef und dem F&B-Manager zu entscheiden, wann und wie die Produkte verarbeitet werden und es kommt auf die jeweilige Situation an. Nach drei Wochen essen sie zu Hause auch mal wieder Klöße mit Sauerbraten. Das stört sie nicht und so ist es an Bord auch. Alternativ schiebt man noch einmal lokale Sachen mit ein.

Aber trotzdem, nach 4 bis 5 Monaten Weltreise ist man dann von Schiffsessen auch gesättigt. Das geht uns als Crew auch so. Da muss man dann variabel sein, einen Strammen-Max, eine Currywurst oder ein Leberwurstbrot anbieten. Man isst auch zu Hause nicht täglich High-Dining.

einfache Speisen / Foto: madle-fotowelt

CruiseStart: Wir haben gesehen, dass Sie bereits auf der Artania gearbeitet haben. Wie unterscheidet sich die Arbeit auf einem größeren Schiff zur doch kleinen Amera?

Andreas Vespermann: Für mich in meiner Position ergibt es da keinen Unterschied. Zwar haben wir auf der Artania mehr Crew-Mitglieder, dort sind es 400 im Hotel, aber im Prinzip ist es derselbe Aufgabenbereich. Klar – die Outlets sind etwas größer von der Kapazität, aber mein Arbeitspensum ist gleich hoch.

CruiseStart: Bezogen auf den Hotelbetrieb – Welche Entwicklungen gab bzw. gibt es im Bereich Umweltschutz?

Andreas Vespermann: Wir haben im letzten Jahr alle unsere Plastik-Verbrauchsartikel analysiert, haben angefangen alles auszusortieren, was wir nicht unbedingt benötigen. Für die Crew haben wir bspw. Trinkbrunnen mit einem Mehrwegflaschensystem eingeführt. Das heißt, die Besatzung bekommt beim Einstieg eine Hartplastikflasche, welche sie ihren ganzen Vertrag benutzen kann. Das allein spart uns schon im Jahr unheimlich viele Mineralwasserflaschen ein. Wir verzichten komplett auf Plastik-Geschirr, -Strohhalme, -Becher und -Besteck. Im Housekeeping gibt es jetzt Wäschesäcke aus Baumwolle. Auch bei der Industrie haben wir uns umgeschaut. Z.B. achten wir beim Wasser darauf, dass die Flaschen aus recyclebarem Kunststoff bestehen. Das sind so die ersten Schritte. Man muss das eben alles klären und schauen, was es bereits auf dem Markt gibt. Aber wie gesagt, das ist noch ein weiter Weg, weil die Industrie erst einmal Alternativen bieten muss.

CruiseStart: Die Restbestände werden noch aufgebraucht? Wir haben bei den Trinkhalmen geschaut, die sehen noch aus wie Plastik.

Andreas Vespermann: Wir haben keine Restbestände mehr. Und ja, mit den Trinkhalmen ist es witzig. Die sehen nach wie vor wie Plastik aus und auf der Einzel-Verpackung ist es nicht beschrieben. So weiß der Gast nicht, dass er hier ein Naturprodukt vor sich hat. Der Rohstoff für die neuen Trinkhalme stammt aus Zuckerrohr. Man sieht es etwas, wenn sie warm werden. Dann ziehen sie sich leicht zusammen bzw. verbiegen etwas.

Es gibt weitere Beispiele. Wir müssen das Essen abdecken, wenn wir es transportieren. Früher nutzen wir Plastikfolie, mittlerweile haben wir alles durch Deckel ersetzt.

Auch im Housekeeping haben wir umgestellt. So nutzen wir jetzt Nachfüllflaschen für Duschgel und Shampoo statt der Einwegflaschen. Allein damit spart man schon Unmengen an Müll und zusätzlich Ressourcen.

CruiseStart: Diese Dinge machen sich dann sicher im Hafen bei der Müllabgabe bemerkbar.

Andreas Vespermann: Ja. Es ist klar, ein Schiff produziert immer noch eine Menge Müll, aber wir sortieren diesen hier, wie es in Deutschland an Land auch gemacht wird und geben diesen dann getrennt ab. Papier und Pappe wird an Bord in einer Vakuummaschine emissionsfrei verbrannt. Glas wird geschreddert und erst dann abgegeben.

CruiseStart: Wie schafft seachefs die Gradwanderung zwischen dem Willen zur Veränderung und der Akzeptanz bei den Kreuzfahrtgästen?

Andreas Vespermann: Im Prinzip sind wir ein Subunternehmen, welches im Auftrag des Charterers, in diesem Fall Phoenix Reisen, arbeitet. Natürlich gibt Phoenix die Standards vor. Wir assistieren und beraten bzgl. der Standards, auch bezogen auf die klaren Definitionen von 3 Sternen, 4 Sternen usw. Ganz klar wollen wir natürlich mit unserer Freundlichkeit und unserer Servicebereitschaft immer das Beste rauszuholen. Das ist das, was wir hier alle versuchen, was die Qualität des Essens und der Getränke angeht. Natürlich ist eine Budgetierung vorhanden. Aber von dem eigentlichen Service-Gedanken sind wir schon ganz weit vorne und das wird von den Gästen so auch gut angenommen.

CruiseStart: Ist das so? Wir denken, es könnte ziemlich schwierig sein. Wenn wir uns die Klientel hier auf der Amera einmal ansehen und die Olive im Cocktail nicht mehr aufgespießt ist, bleibt da nicht die Akzeptanz auf der Strecke?

Andreas Vespermann: In solchen Fällen muss man den Gast informieren und erklären, warum etwas umgestellt wurde. Diese kleinen Sachen fallen den Gästen doch tatsächlich auf. Hierfür gibt es unter anderem unsere Rating-Bögen, auf denen unsere Gäste am Ende der Reise auch solche Dinge reinschreiben können. Diese werten wir nach jeder Reise aus und schauen, ob solche Kommentare abgegeben wurden. Wenn ja, ist es häufig eine Frage der Kommunikation mit dem Gast.

Zuweilen ist es nur einer von 500 Gästen und dann gilt es abzuwägen, in wie fern dieses kritisch für eine Reise oder nur als Notiz zu verstehen ist. Wenn nun 100 Gäste schreiben „Warum gibt es keine Strohhalme mehr“, dann muss man sagen, es war der Wunsch vieler Gäste. Es ist an Land ebenfalls so. Da macht man den Schritt und spricht mit dem Gast. Die Veranstaltung „Auf ein Wort“ des Kreuzfahrtdirektors, wo auch solche Themen angesprochen werden ist auch ein guter Anlaufpunkt für den Dialog.

Wir haben diverse Cocktail-Partys, auf denen wir immer wieder auf diese Themen angesprochen werden. Hier geben wir stets viele Beispiele, was wir so machen.

Cocktail ohne Plastikspieß / Foto: madle-fotowelt

CruiseStart: Gibt es auch Veränderungen, bei denen man im Nachhinein feststellt, da sind wir zu weit vorgeprescht – so weit sind unsere Kunden noch nicht?

Andreas Vespermann: Wir hatten viele Kommentare von den Gästen, dass das Obst auf den Kabinen automatisch aufgefüllt, dann leider nicht konsumiert und später weggeworfen wird. Wir haben nun eingeführt, dass jede Kabine einen Bestellzettel vorfindet und bestellt sich dann Obst, wie er es möchte. Da kam sofort die Reaktion, wir wollen wohl sparen, obwohl es genau der Wunsch vieler Kunden war. Mittlerweile bekommt jeder Gast seinen Obstkorb, wenn er an Bord kommt und dann kann er nachbestellen. Das geschieht mittlerweile mit einer Akzeptanz, klappt jedoch nicht ganz reibungslos.

Da haben wir den Kabinensteward. Der kennt seit 10 Jahren unseren Standard und möchte seinen Gästen etwas Gutes tun. So hatten wir anfangs das Problem, dass der Gast am ersten Tag eine Banane bestellt hat und bekam jeden Tag eine Banane. Es dauerte eine Weile bis unsere Crew das so verinnerlicht hatte.

Obstkorb MS Amera die Zwischenlösung / Foto: madle-fotowelt

Ein anderes Beispiel – wir verzichten seit der Umstellung auf Bodylotion in den Kabinen, zumal fast jeder Gast seine eigene hat. Auch hier gab es viele Kommentare, wir würden sparen. Zum Ausgleich setzen wir ein sehr hochwertiges Duschgel mit ätherischen Ölen ein, was dann die Bodylotion quasi ersetzt. Auch hier haben wir nachgerüstet und auf Anfrage gibt es auf den Kabinen wieder eine Bodylotion.

CruiseStart: Das Thema Mülltrennung an Bord hatten wir bereits umrissen. Ist auch in den Häfen sichergestellt, dass die Trennung aufrechterhalten wird oder wird dort wieder alles zusammengeworfen?

Andreas Vespermann: Das kommt auf die Regularien des Hafenlandes an. Aktuell wird in 80% der Fälle alles wieder zusammengeworfen. Da wird viel Geld gemacht, indem man sagt, wenn der Müll nicht richtig getrennt ist, gibt es eine Strafe. Letztendlich verdienen damit verschiedene Instanzen richtig viel Geld. In Europa, westlich standardisierten Ländern, ist das natürlich nicht so, dort wird auch an Land der Müll getrennt.

Müllabgabe in Brasilien / Foto: madle-fotowelt

CruiseStart: Die Reedereien sind also auf dem richtigen Weg, doch die Endkette kann nicht überprüft werden.

Andreas Vespermann: Die Endkette kann nicht überprüft werden. Die Reedereien haben ein komplexes Waste- und Müllmanagement und unterliegen hier strengen Kontrollen. Für diesen Bereich gibt es an Bord den Umweltoffizier, der diesen ganzen Themenbereich bearbeitet.

CruiseStart: Wie läuft der Erfahrungsaustausch zwischen den Flotten? Gibt es hier einen regelmäßigen Austausch?

Andreas Vespermann: Also bei sea chefs – Phoenix Sparte haben wir einen Operation Manager und einen Junior Operation Manager. Die sind praktisch unsere Verbindungspersonen zwischen den Schiffen und dem Hauptoffice. Sie kommen an Bord und machen die Standardisierung, d.h. einheitliche Standards of Procedures und für jede Abteilung haben wir einen sogenannten Corporate.

Sicher kann man nicht immer alles standardisieren, wenn man verschiedene Outlets und Schiffe hat, aber das Warenangebot, die Lebensmittel und das Kabinensetup sind so weit einheitlich.

CruiseStart: In Teilbereichen ist es sicher auch abhängig von den Schiffsgrößen.

Andreas Vespermann: Genau – so steht z.B. auf der Artania auf allen Kabinen eine Kaffeemaschine, weil die den Platz und die Stromversorgung haben. Das geht z.B. auf der Amadea und Amera nicht. Das sind so Kleinigkeiten, wo von Standards abgewichen werden kann.

Wir bedanken uns bei dem Hoteldirektor Andreas Vespermann für die offenen Worte.

Wie Eingangs angekündigt hier die Links zu weiteren Artikeln, deren Inhalt uns z.T. erst einige Tage nach diesem Interview mit Andreas Vespermann betrafen:

  • Kurswechsel: aus Kreufahrt wird Transferfahrt <<Link>>
  • Hier geht es zu den Südamerika-Reiseberichten mit der MS Amera <<Link>>
  • Bildergalerie von Bord der MS Amera <<Link>>

Übersicht aller veröffentlichten Beiträge zu dieser Reise.

Jürgen Scholüke
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