Breite Proteste der Bevölkerung
Venedig gilt seit jeher als Traummetropole und viele Kreuzfahrten machen Halt in der Lagunenstadt. Allerdings sprechen sich immer mehr Bewohner gegen die großen Schiffe und die Touristenmassen aus.
Ein gern genutztes Argument für die Kreuzschifffahrt in Venedig sind die wirtschaftlichen Faktoren. Befürworter erwähnen gerne die Arbeitsplätze, die von der Kreuzfahrt abhängen. Und das sind in der Realität wirklich nicht wenige. Fast 4.300 Mitarbeiter in 200 Unternehmen in und um Venedig sind auf die Kreuzfahrt angewiesen. Die Region profitiert dabei von mehr als 400 Millionen Euro, die direkt von Passagieren, Unternehmen und Schiffsbesatzungen ausgegeben werden. Davon sind es fast 300 Millionen Euro die in Venedig direkt bleiben, der Rest fließt in die unmittelbare Region.
Diese Zahlen sind Fakten, die nicht übersehen werden dürfen und ganz klar den Kreuzfahrtsektor stärken. Gerade im Hinblick der wirtschaftlichen Situation in Italien. Viele Städte in Norditalien würden diese Kreuzfahrer gerne aufnehmen, in direkter Umgebung befindet sich Triest. Eine traditionelle Seefahrerstadt in strukturschwacher Umgebung. Der Hafen wurde in der Vergangenheit bereits bei Streiks in Venedig als Alternative von den Reedereien gewählt.
Touristen stürmen Venedig
Ein Megaliner mit 4.000 Passagieren bringt die Stadt zwar nicht zum Kollaps, aber Massen an Passagieren stürmen nach dem Anlegen und der Freigabe des Schiffes in die historische Stadt. Alle wollen am liebsten alles sehen und hier ist das Problem hausgemacht. Venedig bietet wenige Wege zu den großen Hotspots wie Markusplatz und Rialtobrücke. Die Menschenmassen drängeln sich in der begrenzten Zeit durch die Gassen. Für die Reedereien ist es schwierig die Passagiere zu steuern, angebotene Ausflüge starten teilweise zeit- und ortsversetzt, aber Individualreisende lassen sich nicht steuern. Hier müssen Lösungen entwickelt werden, um Venedig nicht mit tausenden von Passagieren auf einmal zu fluten, eine Begrenzung der Anläufe wäre eine Option. Diese kostet aber Arbeitsplätze, wertet allerdings die Wohnqualität auf.
Die meisten Reedereien haben es sich in Venedig sowie an allen anderen Orten weltweit zum Ziel gesetzt, die Schönheit der Destination und seiner natürlichen Umgebung zu schützen. Am Beispiel Venedig wurden konkrete Maßnahmen bereits umgesetzt, so gibt die Interessenvertretung CLIA der Reedereien an, dass über 1 Milliarde US-Dollar im Rahmen des Blue Flag Agreement für saubere Technologien der Schiffe investiert werden. Damit soll vor allem der Umweltschutz verbessert werden und die Auswirkungen von Schadstoffemissionen reduziert werden. Das ist natürlich nicht von heute auf morgen möglich, aber ein erster Schritt den Venezianern entgegenzukommen.
Übrigens: Nach der regionalen Umweltbehörde Veneto verursachen Hochseeschiffe 18 % des Feinstaubes. Die regionalen Fähren belasten die Umwelt mit 12 % und der lokale Verkehr in Venedig schlägt mit 14 % zur Buche. Der Anteil der Kreuzfahrtschiffe an den 18 % beträgt dabei im Sommer 8 % und im Winter nur 2 %.
Kleiner Anteil am ganzen
Schaut man sich die Werte noch genauer an wird schnell klar, umwelttechnisch ist es schwierig der Kreuzfahrt die Hauptschuld zu geben. Denn es muss auch darauf hingewiesen werden, dass das höchste Niveau an Feinstaubbelastung im Winter festgestellt wurde, wenn die Kreuzfahrtsaison vorbei ist. Die Überwachungssensoren, die am dichtesten an den Stellen positioniert sind, an denen die Kreuzfahrtschiffe vorbeifahren, und zwar durch den Giudecca-Kanal (Sacca Fisola), haben vom 15. bis 24. Februar 2017 besonders hohe Belastungen gemessen, wobei die Spitzenwerte am 13. Dezember 2016 festgestellt wurden. Von Mai bis Oktober, wenn die Kreuzfahrtsaison in vollem Gange ist, wurde keine einzige Unregelmäßigkeit bei der PM10-Feinstaubermittlung festgestellt; dies belegt der Jahresbericht der Stadtverwaltung von Venedig zur Luftqualität 2014.
Freiwillige Selbstverpflichtung
Kein Schiff mit mehr als 96.000 BRZ läuft die Lagunenstadt an, dazu haben sich die Reedereien verpflichtet und dazu noch die Gesamtzahl der Anläufe reduziert. Hier hat Venedig bares Geld verloren, denn es kamen fast 500.000 Passagiere im Jahr weniger. Waren es noch fast 2 Millionen im Jahr 2013, sind es in diesem Jahr wahrscheinlich etwas weniger als 1,5 Millionen Passagiere.
Würde man künftig allen großen Schiffen über 40.000 Tonnen den Zugang zur Lagune verwehren, würde sich die Anzahl der Passagiere in Venedig um 90 % gegenüber den Zahlen von 2012 verringern, was zu 85 % geringeren Ausgaben für lokale Waren und Dienstleistungen führen würde nach CLIA-Berechnungen.
Alternative Anfahrt nach Venedig
Um Venedig noch weiter entgegenzukommen werden alternative Routen überlegt. Bisher wird der Giudecca-Kanal befahren, in Zukunft ist von Seiten der Reedereien angedacht über den Kanal Vittorio Emanuele III die Lagunenstadt anzusteuern. Hier besteht Zugang zu ein ausgezeichnetes Passagierterminal.
Drei große Reedereien, Royal Caribbean, Carnival-Costa und MSC haben zwischen dem 29. August und dem 1. September dieses Jahres gemeinsame Simulationen mit sechs Schiffen unterschiedlicher Größen in den Niederlanden (CSMASRT-Center in Almere) und in Dänemark (im Force-Technology-Institut in Kopenhagen) durchgeführt. Hierbei wurden die Schiffe hinsichtlich einer Vielzahl von, teilweise sogar sehr widrigen, Wetterbedingungen getestet. Diese Übung lieferte positive und ermutigende Ergebnisse, welche sich mit denen der Hafenbehörde decken. Für eine praktische Umsetzung sind die Reedereien aber auf die Hafenbehörde und den Hafenmeister angewiesen.
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