Die Antarktis: Ein Paradies an der Schwelle zum Massentourismus
Es ist mein zweiter Besuch in der Antarktis nach 2017. Im nachfolgenden Reisebericht werfe ich nicht nur einen Blick auf die wunderbaren, neuen Erlebnisse, sondern betrachte auch die negativen Veränderungen seit meinem Premierenbesuch vor sechs Jahren.
Anreise und Einschiffung
Am 04. Januar 2023 heißt es für mich erneut „Abenteuer Antarktis“ mit der HAMBURG. Mein erster Besuch in diesem einzigartigen Naturparadies liegt inzwischen sechs Jahre zurück. Fast auf den Tag genau vor sechs Jahren startete damals mein Flug in Richtung der südlichsten Stadt der Welt, nach Ushuaia. Diesmal hob der Plantours Charterflug jedoch nicht in München, sondern in Frankfurt ab. Die Zwischenlandung erfolgt auf dem Hinflug außerdem nicht in Buenos Aires, sondern auf den Kapverden. Die Flugdistanz von Frankfurt in Richtung Ushuaia zählt weiterhin zu den längsten, die im Passagierverkehr geflogen wird. Daran ändert auch die Zwischenlandung auf den Kapverden auf dem Hinweg bzw. in Buenos Aires auf dem Rückweg nichts. Das Bordunterhaltungsprogramm bei der Charterairline HiFly auf dem Hinweg sorgt leider für wenig Abwechslung. Insgesamt verläuft der Flug ruhig. Knapp 17 Stunden nach dem Start in Frankfurt setzt der A340-600 von HiFly auf der 2.914m langen Piste des Aeropuerto Internacional de Ushuaia Malvinas Argentinas (USH) auf. Das Flughafengebäude hat sich im Vergleich zum Jahr 2017 nicht verändert. Um die Wartezeit vor den Schaltern bei der Einreise so bequem wie möglich zu gestalten, werden die Passagiere beim Ausstieg auf eine begrenzte Anzahl an Sitzreihen limitiert. Wie Im Jahr 2017. Rund 60 Minuten vergehen, bis die letzten Reisenden den mehr als 75m langen Jet verlassen können. Die Einreise verläuft insgesamt zügig. Vor dem Flughafen warten bereits die Transferbusse. Die Fahrtzeit zum Hafen beträgt nur 10 Minuten. Der Zeitunterschied zur Winterzeit in Deutschland liegt bei -4 Stunden. Bis April diesen Jahres werden vor Beginn einer jeden Kreuzfahrt noch obligatorische Coronatests an Bord der HAMBURG durchgeführt. Diese sind alle negativ. Die Wartezeiten bei der Einschiffung sind sehr gering. Das Wetter in Ushuaia lädt nach der Einschiffung zu einem Spaziergang ein.
Ushuaia, die südlichste Stadt der Welt
Bis zur Abfahrt am Abend bleibt ausreichend Zeit, einen Rundgang durch die südlichste Stadt der Welt zu unternehmen. Nachdem einige Jahre vergangen sind, schaue ich mich gerne erneut in der 70.000 Einwohner-Stadt um. Neben Ushuaia beanspruchen die chilenischen Städte Puerto Williams und Punta Arenas ebenfalls den Titel der „südlichsten Stadt der Welt“ für sich. Der Unterschied liegt in der Einwohnerzahl. Mit mehr als 120.000 Einwohnern ist Punta Arenas zweifelsfrei die südlichste Großstadt der Welt und Puerto Williams mit knapp 2.600 Einwohnern der südlichste Ort der Welt. Puerto Williams zählt aufgrund der geringen Einwohnerzahl nicht als Stadt. Wie auch immer, Ushuaia liegt ohne Zweifel am Ende der Welt, das ist sicher und so fühlt es sich auch an. Überall stehen Wegweiser – die sogenannten Signposts – mit aufgemalten Kilometerzahlen bzw. Entfernungen zu bekannten Weltmetropolen. Nach Berlin etwa sind es zum Beispiel mehr als 14.100 Kilometer.
Die Stadt Ushuaia liegt an der Südseite der Insel Isla Grande de Tierra del Fuego am Beagle-Kanal. Zugleich ist Ushuaia die Hauptstadt der argentinischen Provinz Tierra del Fuego, also von Feuerland. Außer endloser Natur und viele tausend Kilometer Einsamkeit gibt es nichts in der Nähe! Ushuaia ist vom Rest der Welt praktisch abgeschnitten. Die Einflüsse des stetig zunehmenden Tourismus sind jedoch nicht zu leugnen. Dazu zählt nicht nur das Ende 2016 eröffnete Hard Rock Café in der Haupteinkaufsstraße Avenida San Martin. Die Preise in den Geschäften sind in den vergangenen Jahren immens gestiegen. Das Angebot an Restaurants und Cafés ist groß. Etwas außerhalb der Stadt wurde ein modernes Einkaufszentrum errichtet, das Paseo del Fuego Shopping Center.
Die Häuser der Stadt sind in bunten Farben angepinselt, die Dächer meist mit Wellblech belegt, die Straßen steil und die öffentlichen Plätze sehr zahlreich. Typische, südamerikanische Sakralbauten sucht man hier vergeblich, selbst die größte Kirche der Stadt – Nuestra Señora de la Merced ist unscheinbar und erinnert in ihrem gelben Farbkleid und der Wellblechoptik eher an ein Einkaufscenter auf einer bunten Karibikinsel. Schaut man allerdings weniger auf die Details und lässt den Blick durch die Straßen schweifen, dann könnte der Eindruck entstehen, sich in einem Wintersportort irgendwo in der Schweiz zu befinden. Ushuaia hat sich in den letzten Jahren stark herausgeputzt und entwickelt. Der besondere Charme der Stadt ist bisher weitgehend erhalten geblieben. Ushuaia ist inzwischen mehr als nur Ausgangspunkt für eine Kreuzfahrt in die Antarktis, wenngleich der Tourismus in den wenigen Sommermonaten zwischen Oktober und Februar die Haupteinnahmequelle ausmacht. Die Stadt ist ein Touristenmagnet am Ende der Welt und wird sich in den kommenden Jahren sicherlich weiterhin rasant verändern. Das Angebot an Stadtrundfahrten, Rundflügen, Bootstouren, Wanderungen und Bustouren ist schon jetzt recht üppig. Abenteuerromantik kommt nur noch bedingt auf, wenn man sich auf der Haupteinkaufsstraße befindet und auf internationale Modelabels und deren Geschäfte stößt.
Bevor es „Leinen los“ heißt, steht zunächst die obligatorische Seenotrettungsübung auf dem Programm. Diese ist kaum beendet, da geht es auch schon los und Kapitän Igor Gaber lässt mit der HAMBURG Kurs auf den Beagle Kanal nehmen. Dieser zeigt sich diesmal weniger spektakulär als im Jahr 2017, denn der Himmel bleibt bis zum Sonnenuntergang nahezu von dicken Wolken bedeckt. Und nicht nur die Sonne bleibt am heutigen Abend verschwunden. Waren 2017 jede Menge Magellan-Pinguine im Beagle Kanal zu sehen, so kreisen diesmal lediglich einige Sturmvögel über der HAMBURG. Gegen Mitternacht geht der Lotse von Bord und kurz darauf endet die Reise auch schon wieder. Zumindest kurzzeitig.
Der Beagle-Kanal
Der insgesamt 240km lange Beagle-Kanal stellt im östlichen Teil die natürliche Grenze zwischen Argentinien und Chile dar und ist eine natürliche Wasserstraße zwischen dem Atlantik und Pazifik. Benannt ist der Kanal, welcher neben der Magellanstraße die einzige Umgehung der berüchtigten Drake Passage darstellt, nach dem Forschungsschiff HMS Beagle. Bei der HMS Beagle handelte es sich um eine Brigg (zweimast Segelschiff mit Rahsegeln an beiden Masten), mit welcher der britische Marineoffizier Robert Fitz Roy diese Wasserstraße 1831 im Rahmen einer Weltreise (1831-1836) entdeckte. Mit an Bord war seinerzeit der bekannte Robert Charles Darwin.
Am nächsten Morgen befindet sich die HAMBURG noch immer im Beagle Kanal. Das Wetter in der Drake Passage ist zu schlecht, um diese direkt zu durchqueren, entscheidet Kapitän Igor Gaber. So driften wir am heutigen 06. Januar den ganzen Tag lang am Ausgang des Beagle Kanals umher, bevor es am Abend bei ruhiger See in Richtung Antarktis geht. Die meisten Reisegäste nutzen den Tag, um sich von der langen Anreise zu erholen. Die Vorfreude auf Gletscher, Eisberge und Pinguine steigt bei allen Reisenden im Tagesverlauf deutlich an. Etwas Geduld ist nun aber noch erforderlich.
Strenge Richtlinien für Kreuzfahrten in der Antarktis
Bevor ein Kreuzfahrtschiff in die Antarktis fährt, müssen strenge Richtlinien der IAATO (International Association of Antarctica Tour Operators) sowie der MARPOL (International Convention for the Prevention of Marine Pollution from Ships) erfüllt werden. Die Antarktis bezeichnet die Region südlich des 60. Breitengrades. Fälschlicherweise wird oftmals der Begriff Antarktis für den Landteil, also den Kontinent, verwendet. Richtig ist, dass die Antarktis alle Land- und Meeresgebiete umfasst, welche um den Südpol herum liegen, also den Kontinent Antarktika und Teile vom Südlichen Ozean, Indischen Ozean und Atlantischen Ozean. Als ozeanografische Grenze gilt die antarktische Konvergenz, welche etwa bei 50° südlicher Breite liegt. In dieser Region sinkt das kalte antarktische unter das warme, subtropische Wasser ab. Das ist auch ein Grund, weshalb hier oftmals Stürme entstehen und die Wellen an der Oberfläche in verschiedene Richtungen zu laufen scheinen.
Alle Reedereien bzw. Betreiber von Passagierschiffen in der Antarktis sind Mitglied in der 1991 von sieben Antarktis-Reiseveranstaltern gegründeten IAATO, welche die Fahrtrouten der einzelnen Kreuzfahrt- und Expeditionsschiffe akribisch mittels Satellitenortung (AIS) überwacht. Diese Ortung dient der Kontrolle, wo sich die Schiffe befinden, wie lange sie sich an einem Ort aufhalten und darüber hinaus können in einem Notfall sofort Hilfsmaßnahmen eingeleitet werden.
Die aktuellen Richtlinien sehen außerdem vor, dass immer nur 100 Passagiere gleichzeitig an einer Stelle bzw. von Bord eines Schiffes an Land gehen dürfen und bei Ausreizung dieser Grenze zusätzlich 5 gebietskundige Guides bereitgestellt werden müssen (pro 20 Passagiere = 1 Guide). Damit noch nicht genug, denn an einer Landestelle (Bucht) darf nie mehr als ein Schiff liegen und jedes Schiff hat ein maximales Zeitfenster von 4 Stunden, bis alle Passagiere wieder an Bord sein müssen. Daraus ergibt sich für kleinere Kreuzfahrtschiffe der Vorteil, dass die Gäste entsprechend einer niedrigeren Passagierzahl ein größeres Zeitfenster an Land verfügbar haben. Dieser Vorteil bzw. diese Exklusivität schlägt sich natürlich im Reisepreis nieder. So sind Expeditionskreuzfahrten mit Schiffen, auf denen z.B. nur 100 Personen an Bord sind, um ein Vielfaches teurer als auf Schiffen mit mehr als doppelt so vielen Gästen.
Die IAATO-Richtlinien legen zusätzlich fest, dass Kreuzfahrtschiffe mit mehr als 500 Passagieren gar keine Landgänge durchführen dürfen. Diese Regelung erübrigt sich eigentlich, denn es könnten innerhalb der begrenzten Aufenthaltszeit ohnehin nicht alle Gäste an Land gebracht werden.
Antarktis mit Landgängen ein echtes Erlebnis
Seit der Antarktissaison 2011/2012 wurden die bestehenden Richtlinien noch einmal angepasst und verschärft. Demnach darf kein Schiff, welches die Antarktis befährt, Schweröl in den Tanks mitführen. Viele Reedereien wie Celebrity Cruises, Princess Cruises und Holland America Line haben in den vergangenen Jahren reine „Passagen“ durch die Antarktis – meist durch den Neumayer-Kanal – angeboten, also Kreuzfahrten in die Antarktis ohne Landgänge. Das ist zumindest ein guter Kompromiss, einmal in diese atemberaubende und einzigartige Eiswelt einzutauchen, während man sich auf einer regulären Südamerika-Kreuzfahrt befindet. Die Auflagen für solche „Antarktis-Passagen“ sind ähnlich hoch, wie die für die kleinen Expeditionsschiffe, die Anlandungen durchführen. Kein Schiff darf ab dem 60. Breitengrad weiter südlich fahren, wenn sich noch Schweröl in den Tanks befindet. Da die internationalen Auflagen aber grundsätzlich immer weiter verschärft werden, fahren viele Kreuzfahrtschiffe ohnehin nur noch mit Marinediesel, auch nördlich des 60. Breitengrades.
30 Jahre Antarktis mit Plantours Kreuzfahrten
Der Bremer Veranstalter Plantours Kreuzfahrten bietet Antarktis-Kreuzfahrten inzwischen seit 30 Jahren an. Die erste Reise in die Antarktis fand im Jahr 1993 mit der damaligen VISTAMAR statt. Zu diesem Zeitpunkt bereisten nicht einmal 20 Kreuzfahrt- und Expeditionsschiffe diese Region. 15 Jahre später waren es schon 60 Schiffe, heute nähern wir uns der Marke von 100 Schiffen, die gleichzeitig in der Antarktis unterwegs sind. Als ich 2017 mit der HAMBURG zum ersten Mal in der Antarktis war, sichtete ich während der Reise gerade einmal drei der klassischen Antarktis-Kreuzfahrtschiffe. Diesmal herrschte ein Verkehr an Kreuzfahrtschiffen, den ich bisher nirgendwo in so geballter Form gesehen habe. Die meisten Schiffe sind nicht älter als drei Jahre. Sie ersetzen nicht etwa ältere Einheiten, sondern werden zusätzlich eingesetzt. Plantours Kreuzfahrten zählt mit einer 30-jährigen Antarktis-Aktivität zu den Pionieren in dieser Region.
Einmal Absaugen bitte!
Die Schutzmaßnahmen und IAATO Richtlinien beinhalten einen weiteren, wichtigen Punkt, der von allen Reisenden erfüllt werden muss. Sämtliche Kleidungsstücke und Gegenstände, welche mit an Land genommen werden, müssen zuvor peinlichst gereinigt werden! Aus diesem Grund steht für alle Gäste an Bord der MS HAMBURG als Höhepunkt einer jeden Drake-Passage das „Absaugen“ auf dem Programm. Alle Kleidungsstücke wie Jacken, Schals, Handschuhe, Mützen sowie Rücksäcke, Taschen und Schuhwerk müssen abgesaugt und völlig frei von Schmutzresten sein.
815km durch das gefürchtetste Seegebiet der Welt
Als Drake Passage wird das Gebiet zwischen der Südspitze Südamerikas (Kap Hoorn) und der Nordspitze der antarktischen Halbinsel bezeichnet. Die Drake Passage verbindet den Atlantischen Ozean mit dem Pazifischen Ozean und gilt als stürmischster und unberechenbarster Wasserweg der Welt. Kein Seegebiet hat eine größere Untergangs- und Seenotstatistik zu verzeichnen als diese Passage. Die Statistiken sind beängstigend – mehr als 800 Schiffe sollen hier gesunken, zehntausende Menschen den Wellen zum Opfer gefallen sein. Immer wieder sind auch in jüngster Vergangenheit Passagierschiffe in der Drake Passage zum Spielball plötzlich auftretender Stürme geworden. Die See kann in einem Moment ruhig und friedlich sein, die Wetterkarten zeigen keine besonderen Vorkommnisse an und nur eine Stunde später ist er da, der gefürchtete Orkan mit Windspitzen weit über der Marke von 12 Bft. und Wellenhöhen von mehr als 15m. Gerät man in einen solchen, plötzlich auftretenden Sturm, ist der nächste Hafen unerreichbar weit weg. Einen Ausweg gibt es nicht. Es klingt nun beinahe poetisch, wenn ich sage, dass diese Passage die „Eintrittskarte ins Paradies“ ist. Die Natur scheint diesen einzigartigen Kontinent besonders abschirmen und vor Menschenmassen schützen zu wollen. Die Natur wird jedoch in jüngster Zeit durch immer neuere Schiffsmodelle „überlistet“. Die Neubauten der Expeditionsschiffe, die in die Antarktis fahren, sind speziell für die Wetterverhältnisse in der Drake-Passage konzipiert. Zumindest in der Theorie. Denn Anfang Dezember 2022 wurden mehrere Fenster der brandneuen VIKING Polaris durch eine große Welle in der Drake Passage eingedrückt. Eine Person überlebte das Unglück nicht, vier weitere wurden verletzt.
Südlichste orthodoxe Kirche der Welt
Am Morgen des 8. Januars kommt endlich Land in Sicht. Der Wind weht mit knapp 25 Knoten über die South Shetland Islands, die Sicht wird von Nebel getrübt. In der geschützten Maxwell Bay nimmt zumindest die Wellenhöhe ab, sodass einer ersten Anlandung auf der Bellingshausen-Station nichts im Wege steht. Die Bellinghausen-Station ist eine russische Antarktis-Station auf King George Island, die an der Ardley-Cove, einer Nebenbucht der Maxwell Bay liegt. Die Station wurde 1968 von Russland als Hauptstandort für die russische Fischerei-Antarktisflotte errichtet. Obwohl die Bucht geschützt liegt, wird die Anlandung in den Zodiacs recht feucht, denn der anhaltend starke Wind lässt die Wellen gegen den Bug des Zodiacs schlagen und die Gischt auf die Fahrgäste wehen. Am dunklen Strand warten einige Pinguine auf die ankommenden Gäste.
Die bewohnten Bereiche der Station dürfen nicht betreten werden. Offen für einen Besuch ist aber die Trinity Church, eine kleine orthodoxe Kirche, die dort im Jahr 2004 als südlichste orthodoxe Kirche der Welt aufgestellt wurde. Die Höhe des Zwiebelturmes beträgt 15m. Errichtet wurde die Kirche im Jahr 2003 auf einem Hügel nahe der Station. Bei guten Sichtverhältnissen ist sie noch in 30km Entfernung zu erkennen. Nach dem Bau im Altai-Gebirge wurde sie wieder zerlegt und in Einzelteilen mit dem Forschungsschiff Akademik Sergey Vavilov in die Antarktis gebracht. Dort wurde das stabile Lärchenholz wieder zusammengesetzt und trotzt seither den stärksten Stürmen in der Antarktis.
Zwei Grad wärmer als 2017
Eine weitere Anlandung lässt der Wind am Nachmittag nicht zu. Es wird in der benachbarten Admirality-Bay gekreuzt. Das Nachmittagsprogramm besteht aus spontanen Vorträgen zur Antarktis und derer einzigartige Tierwelt. Am Abend ist kurzzeitig die Sonne zu sehen. Die Welt aus Eis und Schnee ist launisch, zeigt sich gerne von ihrer ungemütlichen und unberechenbaren Seite. Nur schwer lässt sich begreifen, in der Antarktis angekommen zu sein. Die Temperaturen liegen rund 2 Grad über denen im Jahr 2017. Deshalb fällt Niederschlag derzeit nicht als Schnee, sondern als Regen. Man könnte es als typisches Novemberwetter in Schleswig-Holstein bezeichnen. Ok, ohne die dramatische Kulisse natürlich. Und in der Antarktis ist derzeit Sommer. Ein Sommer, der wärmer ausfällt als die letzten. Bis Ende Dezember soll in vielen Regionen mehr Schnee als üblich gefallen sein, was das späte Brüten der Pinguine begründet. Seither liegen die Temperaturen aber am Tage meist über 0 Grad Celsius, was nicht nur den Schnee aus diesem Jahr wegschmelzen ließ, sondern auch den uralten Gletschern enorm zusetzt. Der als Regen fallende Niederschlag sorgt zusätzlich für Probleme, denn er kann nicht in den Permafrostboden einsickern, was für viel Schlamm in einigen Regionen sorgt.
Matschige Pfade vorheriger Besucher
Am nächsten Morgen kommt Half Moon Island in Sicht. Kurzzeitig. Die Freude über die bessere Sicht, im Verglich zu gestern, hält nicht lange. In nur wenigen Minuten zieht erneut Nebel auf und verdeckt die Szenerie an Land. Immerhin ist der Wind nicht so stark, dass die Anlandung auf Half Moon Island abgesagt werden muss. Bei meinem letzten Besuch 2017 hat zu starker Wind das Vorhaben verhindert. Diesmal verbindet dichter Nebel den Himmel und das Meer zu einem nahtlosen Grau. Farben gibt es in der Antarktis ohnehin kaum, sieht man mal von den bunten Häuschen der Forschungsstationen ab. Gleich nach der Ankunft auf Half Moon Island steht das Begrüßungskomitee in Form einiger Zügelpinguine bereit, die hier in einer Kolonie leben. Alle Besucher müssen sich an den vom Expeditionsteam gesetzten Grenzen orientieren, um möglichst wenig mit den „Pinguin-Highways“ zu kollidieren. Manchmal kommen sie neugierig auf uns „Eindringlinge“ zu gewatschelt. Die Pinguine liegen mit ihrer Brutzeit wie gesagt einige Wochen zurück, denn sehr viel Schnee verhinderte bisher den Nestbau. Auffallend sind die matschigen Laufwege, die nicht etwa die „Pinguin-Highways“ darstellen, sondern von Menschen verursacht wurden. Die letzten Besucher sind offenbar erst am Vorabend hier zu Besuch gewesen. Und das nächste Kreuzfahrtschiff steht nach unserer Abfahrt auch bereits in der Warteposition.
Am Nachmittag frischt der Wind erneut deutlich auf und weht mit mehr als 30 Knoten über die Bransfield Strait, wie das Seegebiet hier heißt. Benannt wurde diese 300km lange Meeresstraße nach ihrem Entdecker Edward Bransfield. Die Bransfieldstraße ist für fast alle Besucher das Gebiet in dem sie erstmals Kontakt mit der Antarktis bekommen. An den Küsten der Bransfieldstrasse liegt ungefähr die Hälfte aller antarktischen Forschungsstationen.
Kapitän Igor Gaber nimmt Kurs auf die Caldera von Deception Island. Hier hat das Expeditionsteam an Bord der HAMBURG einen Slot in einer Bucht gebucht, in der Hoffnung, dass sich die Wellenhöhen dort in Grenzen halten und wir mit den Zodiacs eine Anlandung durchführen können. Die Hoffnung zerschlägt sich schon bei der Anfahrt auf „Neptune´s Bellows“ (Neptus Blasebalg), der Einfahrt in die Caldera von Deception Island. Zwar gelingt die Durchfahrt durch dieses enge Nadelöhr aber die Wellen in der Caldera erreichen Höhen von bis zu 1,5m. In Ufernähe sind sie niedriger, doch die Entscheidung fällt recht zügig „Eine Anlandung kann nicht durchgeführt werden“. Ein Expeditions-Kreuzfahrtschiff, welches nach uns in die Caldera einfährt, hat offenbar mehr Glück, denn in der benachbarten Bucht können Anlandungen erfolgen. Deception Island war 2017 meine erste Anlandungsstelle in der Antarktis. Wir nehmen mit der HAMBURG nun Kurs auf die Dallmann Bay. Ein weiterer, spontaner Wechsel der Anlandestelle ist aufgrund der hohen Anzahl an Kreuzfahrtschiffen in der Antarktis nicht mehr so einfach möglich, wie noch vor einigen Jahren. Freie Slots sind begehrt und bleiben in der Regel nicht lange ungenutzt. Während der Panoramafahrt durch die Caldera lässt sich die beeindruckende Vulkanlandschaft von Deception Island sehr gut beobachten. Der letzte Ausbruch des immer noch aktiven Vulkans war im Jahr 1970. Die dicke Ascheschicht, die sich über die Gletscher legte, ist auch nach mehr als 50 Jahren noch sehr gut erkennbar.
50 Knoten Wind vor Cuverville
Am nächsten Morgen wird schnell klar, dass die Anlandung auf Cuverville heute Vormittag auch nicht funktionieren wird. Der Wind bläst mit 50 Knoten, was einem schweren Sturm entspricht. Die See ist aufgewühlt, die vor der Danco-Küste treibenden Eisberge werden von den großen Wellen ins Wanken gebracht. Die Anfahrt auf Cuverville Island wird schließlich abgebrochen. Am Nachmittag wird ein Versuch unternommen, in Richtung Paradise Bay zu fahren. Auch das gelingt nicht. Der Sturm bläst unaufhaltsam weiter. Da am Nachmittag die Wolkendecke aufreißt, wird beschlossen, eine Panoramafahrt entlang der Melchior-Inseln zu unternehmen.
Die Sinne werden neu geschärft
Dort angekommen, weht der Wind zwar weiterhin mit 40-50 Knoten zwischen den Inseln hindurch, doch von Bord der HAMBURG aus lässt sich die atemberaubende Eislandschaft immerhin aus einem gewissen Abstand genießen. Die HAMBURG fährt vorbei an der Gammainsel, Deltainsel, Alphainsel und Betainsel. Fast alle Inseln sind benannt nach Buchstaben des griechischen Alphabets. Eine Ausnahme ist die Bremeninsel, die im Jahr 2003 während einer Zodiac-Fahrt von den Gästen der BREMEN entdeckt und nach dieser benannt wurde. Die Melchior-Inseln, die nach dem französischen Vizeadmiral Jules Bernard Francois Melchior (1844-1908) benannt wurden, liegen in der Dallmann-Bucht zwischen Anvers- und der Brabant-Insel. Melchior begleitete den Polarforscher Jean-Baptiste Charcot während seiner Antarktis-Expedition von 1903-1905. Über den Bergen tanzen die kleinen, vom Sturm getriebenen Wolken wie Wattebäusche. Das einheitliche Grau ist einer ganzen Farbpalette an Blautönen gewichen. Die Eindrücke lassen sich kaum beschreiben. Obwohl ich diese einmalige Natur im Jahr 2017 bereits bestaunen durfte, kann ich mich nicht sattsehen an dieser surrealen Märchenwelt. Blaue Eisberge treiben wie kleine Farbtupfer zwischen den Inseln umher. Die Sinne werden hier völlig neu geschärft. Hören, Sehen und Riechen wird in der Antarktis neu erlebt.
Es riecht nach Pinguinen
Apropos Riechen. Pinguinkolonien sind in der Regel vom Schiff aus kaum erkennbar. Lediglich der großflächig, leicht rötlich verfärbte Schnee lässt die Existenz erahnen. Deutlich markanter ist der ausgeprägte Guano-Geruch, der mit zunehmender Annährung an eine Kolonie stetig zunimmt. Manche Reisenden empfinden diesen Guano-Geruch als unerträglich schlimm. Dieses Empfinden konnte ich schon bei meinem letzten Besuch nicht teilen. Klar, duften diese kleinen Frackträge nicht gerade, doch den Schweißgeruch von Menschen, z.B. in einem Fahrstuhl, empfinde ich als deutlich abstoßender.
Das Ende der Unberührtheit!
So ein Nachmittag bei Sonnenschein lässt die letzten Tage, an denen man meist nicht einmal das Ufer durch den dichten Nebel erspähen konnte, schnell vergessen. Spätestens dann wird klar, warum die Antarktis wirklich jeden Besucher in ihren Bann zieht und niemand mehr diese Eindrücke vergisst. Die Melchior-Inseln und die Gerlache Strait fallen einem vor der ersten Antarktis-Reise nicht unbedingt als landschaftliche Höhepunkte ein. Vielmehr kennt man den Neumayer-Kanal und den Lemaire-Kanal aus Reiseführern. Der von Adrien Gerlache entdeckte und erkundete Wasserweg, der Anvers Island und die Danco Coast bzw. die Antarktische Halbinsel trennt, steht den beiden Kanälen jedoch in nichts nach. Im Gegenteil, ich persönlich finde die abwechselnde und vielseitige Szenerie, die sich mir bei der Passage bietet, sehr viel spektakulärer. So oder so habe ich erneut das Gefühl, die Erde wäre gerade erst entstanden und noch nie zuvor hat sie ein Mensch betreten. Die unbewohnte und unberührte Küste erstreckt sich bis zum Horizont. Doch plötzlich taucht ein Helikopter in nächster Nähe auf. Er ist nicht ohrenbetäubend laut, doch unterbricht er die Gedanken an eine unberührte Natur und stört die Idylle in dieser Märchenwelt aus Eis. Wie ich später herausfinde, gehört der Helikopter zum Expeditions-Kreuzfahrtschiff Scenic Eclipse, welches in einer der Buchten in der Nähe liegt. Offiziell werden Eis-Erkundungsflüge durchgeführt. Eis-Erkundungsflüge in einem Gebiet, in dem kein dichtes Eis vorhanden ist. Für mich scheint es eher so, als wäre es der Anfang vom Ende der Unberührtheit. Noch halten sich solche Flüge in Grenzen, doch die zahlungskräftige, meist amerikanische Klientel an Bord solcher Luxusschiffe will auch in Zukunft mit außergewöhnlichen Aktivitäten bespaßt werden.
Über Nacht bleibt die HAMBURG in der Dallmann Bay.
Das südlichste Postamt der Welt
Am nächsten Morgen steht Port Lockroy auf dem Plan. Die Bedingungen scheinen diesmal perfekt. Naja, zumindest so halbwegs. Heute stürmt und regnet es nicht und es gibt auch keinen Nebel. Dafür ist die Sicht durch starken Schneefall getrübt. Die Temperaturen liegen bei -2 Grad, was für diese Jahreszeit noch in den normalen Bereich fällt. Port Lockroy liegt auf Goudier Island, einer kleinen Insel, die in einem wunderschönen Naturhafen liegt. Dieser ist umgeben von Gletschern und den schroffen Bergen der Wiencke Island. Port Lockroy ist eigentlich der Name der Bucht, gemeint ist aber die ehemalige Station, die heute neben einem schönen Museum auch das südlichste Postamt der Welt beherbergt. Die Station wurde 1944 als „Base A“ während der britischen Operation Tabarin gebaut.
Nach dem Krieg wurde die Basis zu einer Forschungsstation umgebaut. Bis 1962 war die Forschungsstation in Betrieb, verfiel danach. Erst 1996 begann die Renovierung durch den British Antarctic Heritage Trust, der die Station seither als Museum, Post und Souvenirladen betreibt. Daher ist Port Lockroy einer der beliebtesten Anlaufpunkte für Kreuzfahrtschiffe in der Antarktis. Die Insel hat jedoch noch mehr zu bieten als einen Souvenirladen. Auf Goudier Island leben hunderte Eselspinguine, die sich an den Besuchern offenbar nicht stören. An kaum einem anderen Ort in der Antarktis ist man den Pinguinen näher als hier. Der vorgegebene Mindestabstand von 5m wird hier von den Pinguinen deutlich unterschritten. Sie leben in unmittelbarer Nähe zu den Gebäuden. Wenn man nur lange genug zusieht, lassen sich spannende Szenen in der Kolonie beobachten. Dazu gehört auch das Klauen von kleinen Steinen von den Nestern der „Nachbarn“. Die „geklauten“ Steine werden dann zügig für den eigenen Nestbau verwendet. Wir haben Port Lockroy gerade verlassen, da kommt schon das nächste Kreuzfahrtschiff in Sicht. Pro Tag dürfen hier nur zwei Kreuzfahrtschiffe Anlandungen durchführen. Fußspuren und matschige Laufwege bleiben dennoch als Spuren der Besucher zurück. Zumindest so lange, bis Neuschnee sie verdeckt.
Passage vom Lemaire-Kanal
Nach dem Verlassen von Port Lockroy nimmt Kapitän Gaber mit der HAMBURG Kurs auf den Lemaire Kanal, der zu den ganz besonderen Passagen während einer Antarktis-Kreuzfahrt gehört. Beim Lemaire-Kanal handelt es sich um eine Meerenge zwischen der Antarktischen Halbinsel und der vorgelagerten, acht Kilometer langen Booth-Insel. Die Länge des Kanals beträgt circa sechs Kilometer, an der schmalsten Stelle ist er nur 720m breit. Die Berge an beiden Seiten des Kanals sind 1.000-1.500m hoch, was die Passage zu einer besonders Beeindruckenden macht. Die Durchfahrt hängt sehr stark von den jeweiligen Eisverhältnissen ab. Meist ist der Kanal von großen Eisbergen versperrt. Im Gegensatz zu meiner Reise 2017 klappt die Durchfahrt diesmal. Leider ist die Sicht insgesamt recht trüb, sodass die Berggipfel nicht sichtbar sind.
Kurz nach der Durchfahrt vom Lemaire-Kanal lassen wir Petermann Island an der Steuerbordseite zurück. Petermann Island ist eine unbewohnte, 2km lange und rund 1.000m breite Insel, die auch im Rahmen von Anlandungen besucht werden kann. Diese Option entfällt zum Abschluss der aktuellen Antarktis-Reise leider. Kapitän Igor Gaber trifft die finale Entscheidung, die Rückfahrt in Richtung Festland anzutreten, da sich ein Sturm der Drake Passage nähert. Von diesem bekommen wir am zweiten Tag der Passage noch die volle Windstärke von rund 70 Knoten mit, was mehr als Beaufort 12 entspricht. Die Wellenhöhe hält sich aufgrund der Nähe zur Küste, die wir bereits in Sichtweite haben, in Grenzen. Wir passieren Kap Hoorn in rund 15km Entfernung. Näher heran geht es nicht, da wir keinen Lotsen an Bord haben. Dieser steigt am Abend am Eingang des Beagle Kanals zu. Vor Puerto Williams erfolgt in der Nacht ein technischer Stopp. Die örtlichen Behörden kommen an Bord und geben die HAMBURG für die Einreise nach Chile frei.
Die Straße der Gletscher
Die HAMBURG passiert die Allee bzw. die Straße der Gletscher, die Ausläufer eines riesigen Eisfeldes auf Feuerland sind. Die Gletscher wurden nach europäischen Ländern benannt. Passiert werden die Gletscher Hollanda, Italia, Francia, Alemania, Romanche und Espana. Zu den beeindruckendsten zählt der Romanche Gletscher, da sich von diesem gigantische Schmelzwassermassen hinunter in den Beagle-Kanal ergießen. So beeindruckend dieser Gletscher auch erscheint, er macht auf dramatische Weise deutlich, wie kurz seine Lebenszeit noch sein wird. Es ist etwas diesig, weshalb man nicht alle Gletscher komplett sehen kann. Innerhalb der kommenden 15-20 Jahre werden die Gletscher vom Beagle-Kanal aus voraussichtlich nicht mehr zu sehen sein. Das Thermometer zeigt aktuell 15 Grad Celsius. Am Nachmittag stehen Zodiac-Fahrten am Seno Garibaldi-Gletscher auf dem Plan. Diesen Gletscher habe ich im Rahmen einer Kreuzfahrt entlang der Chilenischen Fjorde bereits im Jahr 2020 besucht. Der Gletscher ist in den vergangenen drei Jahren bedeutend zurückgegangen, was beim Vergleich der Aufnahmen besonders deutlich wird. Neben dem Seno Garibaldi-Gletscher besuchen wir einen Tag später noch den Seno Agostini-Gletscher, bevor am Abend der Zielhafen Punta Arenas in Sicht kommt. Diesen erreichen wir schließlich am nächsten Morgen.
In Punta Arenas beginnt die zweite Etappe
Nachdem uns während der letzten knapp zwei Wochen durchgehend Tiefdruckgebiete überquerten und sowohl Sturm, Schnee, Regen und Nebel bereithielten, ist in Punta Arenas der Sommer zurück. Nach einem kompletten Tag in Punta Arenas erfolgt der Passagierwechsel, bevor es am Abend erneut in Richtung Seno Garibaldi Gletscher geht. Sowohl für die durchreisenden, als auch für die abreisenden oder neu ankommenden Gäste gibt es ausreichend Zeit, einen Stadtbummel durch Punta Arenas zu unternehmen. Alternativ werden Ausflüge ins Hinterland oder zur Pinguin-Insel angeboten.
Punta Arenas ist die südlichste Großstadt in Südamerika und steht recht häufig auf dem Routenplan von Kreuzfahrtschiffen, die Südamerika umrunden. Punta Arenas liegt geographisch betrachtet im äußersten Süden Chiles, unweit der Südspitze Patagoniens, gegenüber der Insel Feuerland. Aufgrund der Lage an der Magellanstrasse wird die Stadt häufig als Ausgangspunkt für Expeditionsreisen auf dem Festland oder als Starthafen für Antarktis-Kreuzfahrten genutzt.
Am Abend verzögert sich die Abfahrt der HAMBURG kurzfristig, weil ein Passagier offenbar die Rückkehrzeit zum Schiff verschwitzt hat. Nachdem alle Gäste an Bord sind, kann es losgehen und die HAMBURG nimmt erneut Kurs auf die Drake Passage. Zunächst steht noch einmal ein Besuch am Garibaldi-Gletscher auf dem Tagesprogramm für den folgenden Tag. Außerdem passieren wir erneut die Alle der Gletscher. Während vor einigen Tagen eher trübe Aussichten auf die Chilenischen Fjorde herrschten, zeigt sich der Himmel nun tatsächlich für einen längeren Zeitraum makellos Blau.
Der Garibaldi-Fjord – ein UNESCO Biosphärenreservat
Biegt man in den Garibaldi-Fjord ein, so wird die Landschaft nach kurzer Zeit stets beeindruckender, da der Fjord an Breite verliert. Der Garibaldi-Fjord ist Teil des Nationalparks Alberto de Agostini in Chile, einer Region, in der die Anden, die längste kontinentale Bergkette der Welt, auf den Ozean treffen. Das Gebiet ist als UNESCO-Biosphärenreservat ausgewiesen.
Vor einer Engstelle am Ende des Garibaldi Fjordes wird das Treibeis immer dichter. Das Eis stammt komplett vom Garibaldi Gletscher, der erst sichtbar wird, wenn ein Nadelöhr in Form einer engen Biegung durchfahren ist. Der Garibaldi Gletscher gilt als einer der schönsten Gletscher in Chile und zieht alle Reisenden sofort in seinen Bann. Auffällig ist die mediale Moräne (Mittelmoräne) des Garibaldi Gletschers. Eine Moräne ist eine Formation aus nicht konsolidiertem Gestein und Schutt, die von einem Gletscher mitgeführt wird. Beim Garibaldi Gletscher treffen sich zwei getrennte Eisflüsse, was als mediale Moräne bezeichnet wird. Der Garibaldi Gletscher ist allerdings nicht der einzige Gletscher im namensgebenden Fjord. Zahlreiche kleinere Gletscher zeigen sich an beiden Seiten des Fjords. Wie lange der Garibaldi-Gletscher noch im Routenplan von Kreuzfahrtschiffen bleibt, hängt stark von seiner Existenz ab. Denkbar wären in einigen Jahren vielleicht auch Anlandungen mit Zodiacs, um Wanderungen entlang der sich dann gebildeten Endmoräne zu unternehmen.
Wie schon auf der ersten Etappe, verzögert sich die Fahrt durch die Drake Passage, da die Wetterbedingungen nicht optimal sind, wie Kapitän Igor Gaber entscheidet. So treiben wir mit rund 2 Knoten vom Beagle Kanal in Richtung Kap Hoorn. Das Wetter ist hervorragend, die See spiegelglatt. Das ändert sich bis zum Abend nicht. Die Fahrt durch die Drake Passage verläuft insgesamt ruhig. Der Sturm hat sich offenbar sehr schnell verzogen.
Kaum haben wir am 21. Januar die Antarktischen Gewässer bei den Südlichen Shetlandinseln erreicht, nimmt der Wind abermals deutlich zu. Die geplanten Anlandungen auf Half Moon Island und Deception Island entfallen. Es bleibt immerhin eine erneute Passage durch die Caldera von Deception Island.
Auf der Suche nach idealen Wetterbedingungen
Da die Wind- bzw. Wettervorhersage für diese Region auch in den kommenden 48 Stunden keine Besserung verspricht, berät das Expeditionsteam zusammen mit Kapitän Igor Gaber, dass direkt weiter gefahren wird in Richtung der Antarktischen Halbinsel. Am nächsten Morgen klappt am Kerr Point zwar erneut keine Anlandung – diesmal verhindert zu viel Eis das Vorhaben – aber eine Zodiac-Fahrt entlang der bizarren Gletscherlandschaft ist möglich. Der Kerr Point ist eine Landspitze an der Ostseite der Rongé-Insel vor der Danco-Küste des Grahamlands. Begleitet werden die Zodiacs von einigen Buckelwalen.
Massiver Schiffsverkehr und Special Operations Boats
Bis zum Abend geht es mit sehr langsamer Fahrt entlang der Danco-Küste in Richtung Orne Harbor. Um die Mittagszeit kreuzen rund 20 Expeditions-Kreuzfahrtschiffe unseren Kurs. So einen massiven Schiffsverkehr habe ich hier 2017 nicht beobachten können. Zum Teil fahren die Kreuzfahrtschiffe, alle neuerer Bauart, im Konvoi hintereinander her, um zu ihren neuen Liegeplätzen für den Nachmittag zu gelangen. Es ist so voll, dass die geplanten Fahrtrouten sogar untereinander abgestimmt werden. Während die HAMBURG noch in langsamer Fahrt ihrem Kurs folgt, düsen zwei Special Operations Boats der VIKING Octantis an der HAMBURG vorbei, passieren den Fahrtweg und verschwinden in Richtung der Gletscher. Bei diesen Booten handelt es sich nicht um herkömmliche Zodiacs, sondern um Hartrumpfboote, ähnlich eines großen Rib-Boats, mit denen auch bei größeren Wellen gefahren werden kann. Diese 900 PS Boote werden von den beiden neuen VIKING Expeditionsschiffen, die mit 205m und 30.114 BRZ zu den größten in der Antarktis gehören, im Schiffsrumpf transportiert. Ähnlich wie bei einem Seenotkreuzer werden sie am Heck über eine Rampe zu Wasser gelassen und an Bord geholt. Die jeweils maximal 12 Passagiere steigen innerhalb des Kreuzfahrtschiffes in die Boote und verlassen sie auch erst wieder, nachdem die Boote an Bord geholt wurden. Was grundsätzlich nach einer tollen Möglichkeit klingt, entlegene Regionen zu erkunden, stört in der Antarktis doch sehr. Die 900 PS des PumpJet-Antriebs sind nicht zu überhören. Die Reederei selbst gibt sich als Botschafterin für den Klimaschutz, führt an Bord der Schiffe eigene Labore mit und arbeitet mit internationalen Universitäten zusammen. Ob es nun ein Widerspruch ist, wenn die Gäste – als Botschafter des Klimaschutzes – sich mit mehr als 30 Knoten durch den Lebensraum von Pinguinen und Seelöwen bewegen, möchte ich hier nicht beurteilen.
Der Kontinent Antarktika
Orne Harbour kommt in Sicht. Orne Harbour ist eine rund 1.000m breite Bucht an der Westküste von Grahamland. Entdeckt wurde die Bucht im Jahr 1898 im Rahmen einer belgischen Antarktis-Vermessung. Der Ort ist aus mehreren Gründen beliebt. Er befindet sich auf dem Festland, also dem Kontinent Antarktika. Wer hier an Land geht, betritt also den Kontinent und nicht eine der vielen vorgelagerten Inseln in der Antarktis. Was auf der vorherigen Etappe mit der HAMBURG nicht gelang, wird nun zu einem Highlight der Reise. Wie ein kleines Modellschiff sieht die HAMBURG zwischen den Gletschern und den Gipfeln der Berge aus. Die felsige Küste ermöglicht an einigen flachen Stellen Anlandungen mit Zodiacs. Von der Anlandungsstelle führt ein steiler Weg durch den Schnee hinauf auf einen Berg. Schon vom Weg aus bieten sich immer wieder atemberaubende Ausblicke. Oben angekommen wird die Anstrengung in jeder Hinsicht belohnt. Auf dem Felsen brütet stets eine Kolonie von Zügelpinguinen, die man wunderbar beobachten kann. Außerdem ist die Aussicht nicht in Worte zu fassen. Orne Harbour zählt zu einem der schönsten Stellen, die man in der Antarktis besuchen kann. Auf dem nachfolgenden Foto gut zu erkennen sind die Bucht, die HAMBURG in der Bucht, der Berg auf dem die Zügelpinguine brüten und die Gruppe an Gästen, die sich gerade auf dem Weg im Schnee befindet.
Der Kontinent Antarktika liegt inmitten der Antarktis. Das dem Festland aufliegende Inlandeis ragt bis in eine Höhe von etwa 4.300m. Der Kontinent Antarktika ist rund ein Viertel größer als Europa. Die höchste Erhebung stellt der Mount Vinson in der Westantarktis mit einer Höhe von 4.897m dar. Die Berge sind so bizarr und atemberaubend wie im Himalaya-Gebirge. Immer wieder hört man daher die Beschreibung vom versunkenen Himalaya, wenn Antarktis-Reisende versuchen, ihre Eindrücke zu beschreiben.
Um Mitternacht kehrt das letzte Zodiac mit dem Expeditionsteam zurück zur HAMBURG. Für alle Gäste hat das Restaurantteam im Palmgarten noch eine leckere Gulaschsuppe vorbereitet. Der perfekte Abschluss dieses wunderbaren Abends!
Schlange stehen zum Pinguine gucken
Am nächsten Morgen nähert sich die HAMBURG Cuverville Island. Diese 1,4km lange und 970m breite Insel, die sich vor der Danco-Küste des Grahamlands befindet, habe ich als einen der beeindruckendsten Orte während meiner Reise 2017 in Erinnerung. Die Landschaft, in der die kleine Insel liegt, ist atemberaubend. Wie Orne Harbour ist auch Cuverville „Antarktis pur“. Cuverville Island liegt am Eingang des Errera-Kanals. Sie wird von schroffen Bergen und schneeweißen Gletschern des antarktischen Festlands quasi eingerahmt. Buckelwale halten sich gerne vor der Insel auf, so auch heute. Auf den flachen Hügeln in der Nähe der Landestelle leben hunderte Eselspinguine, die alle Besucher schon neugierig am Strand begrüßen. Abgesehen davon, dass das Wetter diesmal nicht so wunderschön ist wie bei meinem letzten Besuch 2017, sind die Laufwege, auf denen sich alle Besucher bewegen können, deutlich eingeschränkter. Warum das so ist, bleibt letztendlich offen. Die Pinguinkolonie brütet letztendlich nicht anders als bei meinem letzten Besuch. Alle Abstände zu möglichen „Pinguin-Highways“ würden eingehalten. Der Nachteil der aktuell eingeschränkten Laufmöglichkeiten für die Gäste liegt auf der Hand. Wenn sich gleichzeitig alle erlaubten 100 Personen an Land befinden, entsteht schnell das Gefühl, sich auf einer belebten Strandpromenade zu befinden. Das Naturerlebnis geht dadurch etwas verloren. Dieser Besuch wird daher nicht als einer der beeindruckendsten während meiner Reise in Erinnerung bleiben. Die letzten Reisegäste an Land müssen sich beeilen, denn das nächste Kreuzfahrtschiff wartet bereits darauf, die ersten Zodiacs mit Reisenden an Land bringen zu können. Hier heißt es „Schlange stehen zum Pinguine gucken“. Keine schöne Entwicklung.
Paradise Bay
Die Paradise Bay zählt offiziell zu einem der schönsten Orte, die man im Rahmen einer Antarktis-Kreuzfahrt besuchen kann. Die Bucht befindet sich nördlich vom Lemaire-Kanal und wurde früher von Waljägern als Ankerplatz für ihre Schiffe genutzt. Die argentinische Forschungsstation Almirante Brown befindet sich als einer von 13 argentinischen Stationen in der Paradise Bay. Hier war offiziell eine Anlandung geplant, die dann jedoch durch eine Zodiac-Fahrt in einem Seitenarm der Paradise Bay ersetzt wurde. Grund ist ein nahendes Tief, welches wieder durch Sturm und unberechenbare Winde begleitet werden soll. Die Suche nach einem eisfreien Platz für die Zodiac-Fahrten dauert zunächst noch etwas, dann kann es auch schon losgehen. Nach knapp einer Stunde sind die ersten Vorboten des nächsten Tiefdruckgebiets erkennbar. In schnellem Tempo ziehen Wolken über die hohen Berge der geschützten Bucht. Fallwinde sind auf der Wasseroberfläche erkennbar. Die Zodiac-Fahrten, die wieder von einigen Buckelwalen begleitet werden, können noch beendet werden. Dann schlägt das Wetter auch schon wieder um. Wie an fast jedem Tag während meiner aktuellen Reise in die Antarktis.
Die ungünstigen Wetterverhältnisse ändern sich auch am nächsten Morgen nicht. Es war ein erneuter Besuch in Port Lockroy geplant. Dieser entfällt, da mal wieder so starke Winde herrschen, dass keine Zodiac-Operationen durchgeführt werden können. Nun kreuzen wir erneut einen Tag lang zwischen den Buchten und Kanälen vor der Antarktischen Halbinsel umher. Die Sicht ist schlecht, es schneit. Erst am Nachmittag bessert sich das Wetter etwas, so dass zu später Stunde noch eine Zodiac-Rundfahrt bei den Melchior-Inseln möglich wird.
Letzter Halt Petermann-Island
Bevor es nun wieder auf nördlichen Kurs geht, findet eine letzte Anlandung auf der Petermann-Insel statt. Zuvor führt der Weg noch einmal durch den Lemaire-Kanal. Die Anlandung auf Petermann-Island verzögert sich etwas, da ein Kreuzfahrtschiff vor uns die Passagiere etwas zu spät wieder an Bord holt. Es zeigt sich noch einmal, wie eng getaktet die Slots sind und wie stark die Frequentierung der Spots ist. Auf Petermann-Island lebt derzeit eine Kolonie Adeliepinguine. Entdeckt wurde Petermann-Island im Jahr 1874 vom deutschen Walfänger Eduard Dallmann, benannt ist sie nach dem Geographen August Petermann. Kurz vor unserer Abfahrt zeigt sich nun zum ersten Mal seit vielen Tagen die Sonne und verwandelt die Landschaft in eine glitzernde Eiswelt. Mittags verlassen wir die Antarktische Halbinsel und nehmen Kurs auf die Drake-Passage. Letzte Eisberge sind zu sehen, die im Sonnenlicht zum Teil bläulich schimmern. Der südliche Polarkreis liegt nur noch etwa 50km weiter südlich.
Das Geheimnis der blauen Eisberge
Ich bin kein Experte auf dem Gebiet, doch versuche ich es mal verständlich zu erklären. Die Farbe des Eises hängt davon ab welche Spurensubstanzen sich im Eis befinden und welche optischen Eigenschaften es hat. Ein weißer Eisberg resultiert demnach aus vielen Lufteinschlüssen im Eis, welche das eintretende Sonnenlicht sehr stark streuen und schnell wieder aus dem Eis heraus lenken. Tiefblau leuchtet ein Eisberg nur dann, wenn er sehr wenige Lufteinschlüsse enthält und die Eisdichte besonders hoch ist. In reines, pures Wassereis dringen die Lichtstrahlen sehr tief ein, woraus sich ein natürlicher Filter ergibt. Wasser schluckt Licht bekanntlich je nach Wellenlänge in unterschiedlichem Maße. Rotes Licht wird zuerst geschluckt, Orange und Grün folgen danach, bis nur noch blaues Licht übrigbleibt. So zumindest ist es einfach erklärt, warum manche Eisberge und Gletscher sowie die Höhlen darin scheinbar blau leuchten. Ein Wissenschaftler würde jetzt noch weiter ins Detail gehen und den Aufbau der Eiskristalle sowie deren chemische Bindungen erklären. Das lasse ich jetzt mal.
Zweieinhalb Tage dauert die Rückfahrt durch die Drake-Passage, bis wir am Morgen des 28. Januar Ushuaia erreichen, den Ausgangspunkt meiner Antarktis-Kreuzfahrt mit der HAMBURG. Ein kompletter Tag steht in Ushuaia zur Verfügung, um noch einmal durch die Straßen und entlang des Beagle-Kanals zu wandern. Das Wetter ist heute ganz besonders schön. Die Sonne scheint, der Himmel ist wolkenlos und die Temperaturen liegen bei knapp 18 Grad, was für Ushuaia sehr hoch ist.
Die Rückreise nach Frankfurt erfolgt am folgenden Nachmittag mit einem Charterflug der Deutschen Lufthansa (A 340-600). Die Flugzeit via Buenos Aires beträgt knapp 17 Stunden. Während des Tankstopps in Buenos Aires dürfen alle Passagiere an Bord bleiben, was die Standzeit auf nur 1,5 Stunden verkürzt. Der Lufthansa-Airbus ist deutlich komfortabler, das Unterhaltungsprogramm erheblich besser als beim HiFly-Airbus auf dem Hinflug. Einen ebenso positiven Eindruck hinterläßt die LH-Kabinencrew auf beiden Etappen. Nahezu pünktlich am nächsten Tag setzt der A340-600 in Frankfurt auf.
Dies und Das – ein Rückblick
Begleitet wurde die diesjährige Antarktis-Saison von einem professionellen Expeditionsteam, welches bisher auf internationalen Expeditionsschiffen arbeitete. Der Expeditionsleiter Rustyn sprach nur Englisch, was aufgrund guter Übersetzungen ins Deutsche kein Problem darstellte.
Das an Bord angebotene Musik- und Unterhaltungsprogramm habe ich in meinem Reisebericht nicht weiter benannt, da es auf einer Antarktis-Kreuzfahrt aus meiner Sicht zweitrangig ist, was an Unterhaltung geboten wird. Die Natur bietet in dieser Region jede Menge Unterhaltung. Die obligatorischen und bei vielen Gästen beliebten Frühschoppen durften natürlich im jeweiligen Reiseverlauf nicht fehlen. Ebenso wenig die Galaabende zu Beginn und am Ende der Reisen. Die HAMBURG ist das einzige Kreuzfahrtschiff, welches ein Show- und Unterhaltungsprogramm für seine Gäste in der Antarktis bietet.
Inhaltlich hochwertig und informativ sind aus meiner Sicht alle Vorträge der Lektoren gewesen, wobei einige Stammfahrer den damaligen, langjährigen Expeditionsleiter und Lektor Ludger Feldmann vermissten.
Einige Gäste kritisierten, dass die Qualität des Essens nachgelassen haben soll. Das kann ich nicht bestätigen. Wie schon während meiner Kapverden-Reise empfand ich es lediglich als „schade“, dass an den Galaabenden die Hauptgänge im Palmgarten nicht mehr so hübsch angerichtet angeboten werden wie im Hauptrestaurant. Das Essen war abwechslungsreich und insbesondere im Hauptrestaurant wiederholten sich die Menüs an keinem einzigen Tag. Besonders gut kamen die beliebten Themenbereiche im Palmgarten bzw. auf dem Pooldeck an. So wurden z.B. mittags Grillspezialitäten angeboten, die zuvor auf dem Holzkohlegrill zubereitet worden sind. Die leicht abgewandelten Gerichte aus der Mannschaftsküche stehen bei allen Reisenden allgemein ebenfalls hoch im Kurs.
Neu war für mich die Erfahrung, dass auch bei Panoramafahrten oftmals alle Außendeckbereiche der HAMBURG gesperrt waren. Dazu zählt die Terrasse vor dem Palmgarten ebenso, wie auch die Freidecks auf Deck 5 und 6. Einzig zwei kleine Bereiche vor dem Sportraum bzw. dem Palmgarten blieben geöffnet. In der Regel wird die Lee-Seite, also die vom Wind abgewandte Seite, nicht abgesperrt. Was genau abgesperrt wird, entscheidet der Safety-Officer. Einige Mitreisende bemängelten die mitunter lange Zeit, die verstrichen ist, bis die Decks bei nachlassendem Wind wieder geöffnet wurden. Letztendlich geht die Sicherheit vor und wenn sich ein Gast bei starkem Sturm oder Seegang schwer verletzt, dann hätte das Folgen für alle Mitreisenden.
Schlange stehen zum Pinguine gucken – Massentourismus steht bevor!
Die Slots an den beliebten Spots in der Antarktis sind schon heute fast permanent belegt. Anlandungen finden nicht selten nun auch vom späten Abend bis in die Nacht hinein statt. Die zwei Zeitfenster am Tage werden von den Reedereien meist Monate im Voraus gebucht. Änderungen bei schlechtem Wetter werden für alle Reedereien immer schwieriger, da kaum freie Alternativen zur Verfügung stehen. Schon heute kreisen die Schiffe auch dann im Konvoi zwischen den Buchten umher, wenn das Wetter gerade keine Anlandungen zulässt. Statt „Tiere gucken“ heißt es nicht selten „Schiffe gucken“. Und die Tendenz geht zu einem massiven Ausbau der Tonnage für entsprechende Expeditionsreisen. Wer künftig Pinguine in ihrem natürlichen Lebensraum beobachten will, muss Schlange stehen. Es fragt sich, wann der zunehmende Tourismus sich negativ auf die Tierwelt sowie das empfindliche Ökosystem auswirken wird!?
Das Erlebnis „Natur pur“ ist in Gefahr
Jeder, der die Antarktis bereist, soll als Botschafter fungieren und nach seinem Besuch die Message in die Welt transportieren, dass dieser Kontinent in besonderem Maße schützenswert ist. So wird es schon immer auf den verschiedenen Kreuzfahrtschiffen kommuniziert. Was nach einem guten Plan klingt, hat nur einen Haken. Erstmal nimmt nicht jeder Reisende diese Botschaft ernst und darüber hinaus wecken die Erzählungen eher die Reiselust anderer Menschen. Es ist das Erlebnis der puren Natur, welches immer mehr Menschen anzieht. Waren vor einigen Jahren noch solche Reisen lange Zeit im Voraus ausgebucht, so ist das Angebot an Kreuzfahrtschiffen in den letzten drei Jahren regelrecht explodiert. Das Erlebnis der „puren Natur“ ist aus meiner Sicht schon heute nicht mehr dasselbe wie vor sechs Jahren. Und jeder, der die Antarktis schon vor 10-20 Jahren bereiste, dürfte diesen Eindruck bestätigen. Hubschrauber, Schnellboote, Mini-U-Boote und andere Möglichkeiten der Touristen-Bespaßung haben nichts mehr mit einem „puren Naturerlebnis“ zu tun.
Je mehr Besucher umso mehr Verstöße
Die meisten Besucher halten sich zwar an die strengen Auflagen bei Landgängen. Dazu zählen die mindestens fünf Meter Abstand zu den Pinguinen. Aber es halten sich eben nicht alle daran. Und je mehr Menschen kommen, umso öfter wird gegen diese und andere Auflagen verstoßen. Bislang stört es die Pinguine kaum, wenn Menschen vor ihren „Highways“ stehen. Eine gewisse Irritation der Tiere ist mit einer zunehmenden Anzahl an Menschen jedoch zu erkennen. Wenn sich rund 100 Personen nicht gut genug an Land verteilen, entstehen schnell Menschenansammlungen. Bei meiner Antarktis-Reise im Jahr 2017 entzerrten sich die Gruppen an den jeweiligen Landestellen besser.
Das Problem mit der IAATO
Aus meiner Sicht ist es am Ende schwierig, dass die IAATO regulierend eingreift, denn sie ist ja eine Vereinigung von Reiseveranstaltern. Und bei diesen besteht das Interesse letztendlich darin, Reisende in die Antarktis zu bringen. Natürlich ist es als positiv zu sehen, wenn eine Reederei Mitglied in der IAATO ist und somit die Mindeststandards erfüllt. Ich bezweifle jedoch, dass die IAATO am Ende die Anzahl der Kreuzfahrtschiffe regulieren wird bzw. überhaupt regulieren kann. Eine Liste der Mitglieder bzw. Reedereien, welche Reisen in die Antarktis anbieten, ist bei der IAATO einsehbar <<Link>>. Wenn z.B. ein Mitglied in den kommenden Jahren die eigene Schiffsflotte deutlich aufstockt, dann werden die anderen Mitglieder sicherlich kein Veto einlegen. Schon heute wird ja geduldet, dass mit U-Booten ins Reich der Pinguine vorgedrungen wird, Schnellboote dort operieren, wo auch Wale leben und Hubschrauber im Lebensraum der Seevögel mit Touristen umherfliegen. Natürlich alles unter dem Deckmantel des Klimaschutzes.
Reisen in die Antarktis immer komfortabler
Ein weiterer Grund, weshalb immer mehr Touristen in die Antarktis reisen, dürfte das immer größer werdende Angebot an komfortablen Luxusschiffen sein. Vor einigen Jahren noch boten die Schiffe eher kleine Kabinen und wenig Annehmlichkeiten für Antarktis-Reisende. Heute stehen sogar in den Kabinen bzw. Suiten eigene Bereiche zur Verfügung, in denen Nasse Kleidung getrocknet werden kann. Es gibt Umkleideräume, komfortable Möglichkeiten schon innerhalb des Schiffes in die Ausflugsboote zu steigen, beheizte Wartebereiche und Rampen, über die Gehbehinderte in die Boote steigen können. Es werden zunehmend neue Zielgruppen angesprochen, die noch vor einigen Jahren gesagt hätten, „nein, wir fahren nicht in die Antarktis, das ist uns zu abenteuerlich“. Natürlich hat grundsätzlich erstmal jeder das Recht, die Naturschönheiten der Antarktis zu erleben. Wenn dafür aber die Region in Mitleidenschaft gezogen wird, dann gehören hier Grenzen gesetzt. Grenzen wie sie von souveränen Staaten festgelegt werden.
Neue Schiffe ohne Ende
Neu in der Antarktis sind Schiffe wie die Greg Mortimer (Baujahr 2019), Magellan Explorer (2019), Ultramarine (2020), Hondius /2019), World Explorer (2019), National Geographic Endurance (2020), National Geographic Resolution (2021), Ocean Victory (2020), Le Bellot (2020), Sylvia Earle (2021), Le Commandant Charcot (2021), Crystal Endeavor (2021), VIKING Octantis (2021), VIKING Polaris (2022). World Navigator (2021), World Traveller (2022), Seabourn Venture (2022), Fridtjof Nansen (2020), Roald Amundsen (2019), Le Jacques Cartier (2021), Scenic Eclipse (2019), SH Minerva (2021), SH Vega (2022) – um nur einige zu nennen. Für die kommenden Jahre stehen rund 30 weitere Expeditions-Kreuzfahrtschiffe in den Auftragsbüchern der Werften oder befinden sich bereits im Bau. Zum Beispiel für Silversea Cruises, SunStone, Mystic Cruises, Ritz-Carlton, Four Seasonsm Swan Hellenic und andere mehr. Man darf sich mit Recht fragen, wo diese Schiffe alle Platz finden werden, in den ohnehin schon überfüllten Gewässern der Antarktis und natürlich auch in der Arktis.
Ushuaia baut aus
Nicht selten liegen in dieser Saison an einem Tag bis zu 15 Kreuzfahrtschiffe in Ushuaia – zum Teil an der Pier, zum Teil auf Reede. Nicht nur der Flughafen gerät inzwischen an seine Grenzen, auch der kleine Hafen. Um künftig mehr Kreuzfahrtschiffe abfertigen zu können, wird die Pier gerade verlängert. Aber nicht nur der Kreuzfahrt-Tourismus nimmt rasant zu, auch Hotels werden neue gebaut, um künftig mehr Touristen beherbergen zu können, die individuelle Reisen in der Region unternehmen. Ein insgesamt bedenklicher Trend.
Keine Einigung für strengeren Schutz der Antarktis
Übrigens: Die 41. Konferenz der Antarktis-Kommission CCAMLR im australischen Hobart endete Ende 2022 ohne einen erhofften Durchbruch bei den Gesprächen. Es gab keine Einigung auf strengere Fischereimaßnahmen oder einen strengeren Schutz dieser Region. Die Beschlüsse scheitern seit Jahren am Widerstand von Russland und China.
Und die wohl wichtigste Frage zum Schluss: „Lohnt eine Kreuzfahrt mit der HAMBURG in die Antarktis“?
Ja, denn diese Region ist atemberaubend schön und bleibt es vermutlich auch noch eine Zeit lang. Das Wetter lässt sich auf keiner Reise beeinflussen, in der Antarktis ist man natürlich auf besondere Weise davon abhängig. Das „Once in a lifetime“-Erlebnis ist in jedem Fall gegeben, so oder so. Und die Antarktis sollte man unbedingt auf der „Bucketlist“ haben. Lieber früher als später. Ich gehe davon aus, dass sich diese Region mit zunehmendem Tourismus weiter verändern wird. Wer mit der HAMBURG in die Antarktis reist, sollte sich am Ende bewusst darüber sein, dass die HAMBURG kein reines Expeditionskreuzfahrtschiff ist und nicht über diverse Zusatzannehmlichkeiten wie verschiedene Ein- und Ausstiegsmöglichkeiten für die Zodiacs verfügt. Technisch ist die HAMBURG auf dem aktuellsten Stand und verfügt über alle nötigen Equipments, um in der Antarktis sowie auch in der Arktis fahren zu können.
- Alle Bildergalerien der Antarktis-Kreuzfahrt mit der HAMBURG <<Link>>
Buchung und Beratung? Alle Kreuzfahrten mit der HAMBURG können z.B. bei Kreuzfahrten-mehr.de gebucht werden. Senden Sie einfach eine unverbindliche Mail an kontakt@kreuzfahrten-mehr.de oder rufen Sie an unter 04893-4288535
- Vielleicht auch interessant: Mit der HAMBURG auf den Azoren, Kanaren und Kapverden <<Link>>
- Schiffsportrait Celebrity Silhouette - 22. Juli 2024
- MS Hamburg: Currywurst, Waffeln und Matjesbrötchen - 6. Juli 2024
- Mein Schiff 7 von TUI Cruises im Schiffsportrait - 21. Juni 2024